MedizinproduktewerberechtDas Medizinproduktewerberecht ist ein hochreguliertes Rechtsgebiet, das die Werbung für Medizinprodukte regelt. Medizinprodukte unterscheiden sich von Arzneimitteln, unterliegen jedoch ebenfalls strengen Werbevorgaben, insbesondere durch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), das Heilmittelwerbegesetz (HWG), das Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG) sowie die EU-Verordnung über Medizinprodukte (MDR – Medical Device Regulation, EU 2017/745). Ziel dieser Regelungen ist es, Verbraucher, Patienten und medizinisches Fachpersonal vor irreführender Werbung, falschen Heilversprechen und gesundheitlichen Risiken zu schützen. Verstöße können zu Abmahnungen, Bußgeldern, Vertriebsverboten oder sogar strafrechtlichen Konsequenzen führen.
1. Rechtsgrundlagen des Medizinproduktewerberechtsa) UWG – Wettbewerbsrechtliche VorgabenDas UWG schützt Verbraucher und Mitbewerber vor unlauterer, irreführender oder aggressiver Werbung für Medizinprodukte. Wichtige Normen: - § 3 UWG: Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen
- § 5 UWG: Verbot der irreführenden Werbung
- § 5a UWG: Irreführung durch Unterlassen wesentlicher Informationen
- § 3a UWG: Rechtsbruch – Verstöße gegen medizinprodukterechtliche Vorschriften sind wettbewerbswidrig
â–¶ Beispiel: Eine Werbung verspricht „100 % schmerzfreie Zahnbehandlung mit unserem Lasergerät“, obwohl dies wissenschaftlich nicht belegt ist.
b) Heilmittelwerbegesetz (HWG) – Werbebeschränkungen für MedizinprodukteDas HWG enthält Sonderregelungen für die Werbung mit Medizinprodukten und verbietet insbesondere irreführende oder übertriebene Heilversprechen. Wichtige Vorschriften des HWG: - § 3 HWG: Verbot irreführender Werbung
- § 7 HWG: Verbot von Werbegaben und Rabatten (Einschränkungen für Bonusaktionen)
- § 8 HWG: Verbot der Werbung mit Empfehlungen von Ärzten oder Prominenten
- § 11 HWG: Werbeverbote für bestimmte risikoreiche Medizinprodukte gegenüber der Allgemeinheit
â–¶ Beispiel: Eine Firma bewirbt eine Wundsalbe mit „garantiert schnelle Heilung ohne Narben“, obwohl keine Studien dies belegen.
c) Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG) – Vorgaben für den VertriebDas MPDG setzt die Vorgaben der EU-Medizinprodukteverordnung (MDR – Medical Device Regulation, EU 2017/745) in deutsches Recht um. Es reguliert die Marktzulassung, Kennzeichnung und Werbung für Medizinprodukte. Wichtige Regelungen: - § 3 MPDG: Definition von Medizinprodukten
- § 6 MPDG: Anforderungen an die CE-Kennzeichnung
- § 7 MPDG: Werbebeschränkungen für Medizinprodukte
- § 13 MPDG: Pflichten für Händler und Importeure
â–¶ Beispiel: Ein Hersteller bewirbt ein nicht zugelassenes Diagnostikgerät als „medizinisch getestet“ – dies ist nach MPDG unzulässig.
d) EU-Medizinprodukteverordnung (MDR – EU 2017/745)- Gilt seit dem 26. Mai 2021 und ersetzt die bisherige Medizinprodukterichtlinie (MDD).
- Regelt die Zertifizierung, Sicherheitsanforderungen und Werbebeschränkungen für Medizinprodukte.
- Werbung darf nicht zu Fehlanwendungen oder falschen Erwartungen führen.
â–¶ Beispiel: Ein Anbieter bewirbt einen Blutdruckmesser mit der Aussage „absolut zuverlässige Messung“, obwohl in der Gebrauchsanweisung auf eine Fehlertoleranz hingewiesen wird.
2. Erlaubte und verbotene Medizinproduktewerbunga) Erlaubte Werbemaßnahmen für Medizinprodukte- Sachliche Informationen über die Eigenschaften und Funktionen des Produkts
â–¶ Beispiel: „Unser Blutzuckermessgerät misst innerhalb von 5 Sekunden den Glukosewert.“ - Nachweisbare medizinische Aussagen (wissenschaftlich belegt)
â–¶ Beispiel: „Dieses Gerät ist klinisch getestet und von der EU zertifiziert.“ - Bewerbung mit offiziellen Zertifizierungen (z. B. CE-Kennzeichnung)
â–¶ Beispiel: „Mit CE-Kennzeichnung gemäß MDR 2017/745.“ - Anpreisung für medizinisches Fachpersonal unter Beachtung des HWG
â–¶ Beispiel: „Für Ärzte und Kliniken – unser innovatives Beatmungsgerät mit neuester Sensortechnologie.“
b) Verbotene Werbemaßnahmen für Medizinprodukte- Irreführende oder übertriebene Heilversprechen (§ 3 HWG, § 7 MPDG)
â–¶ Beispiel: „Unser Hörgerät stellt Ihr natürliches Gehör wieder vollständig her.“ - Werbung mit wissenschaftlich nicht belegten Behauptungen (§ 3 HWG, § 7 MDR)
â–¶ Beispiel: „Mit diesem Magnetfeld-Gerät heilen Sie Rückenschmerzen ohne Medikamente.“ - Werbung mit Ärzten oder Prominenten (§ 8 HWG)
â–¶ Beispiel: „Dr. Müller empfiehlt unser Knieband zur Schmerzreduktion.“ - Werbung für nicht zertifizierte Medizinprodukte (§ 6 MPDG, MDR)
â–¶ Beispiel: „Unser neues Diagnosetool ohne CE-Zertifizierung.“ - Verkaufsfördernde Rabatte auf verschreibungspflichtige Medizinprodukte (§ 7 HWG)
â–¶ Beispiel: „Kaufen Sie eine Packung Verbandmaterial, erhalten Sie ein Schmerzgel gratis dazu.“
3. Wichtige Urteile zum Medizinproduktewerberechta) BGH, Urteil vom 06.02.2013 – I ZR 62/11 („Magnetfeldtherapiegerät“)- Werbung mit „Heilung durch Magnetfelder“ wurde als irreführend untersagt.
b) EuGH, Urteil vom 06.09.2012 – C-544/10 („Health-Claims für Medizinprodukte“)- Werbung mit nicht zugelassenen medizinischen Aussagen verstößt gegen die MDR und das MPDG.
c) OLG München, Urteil vom 17.10.2019 – 29 U 2137/18 („Zertifizierungsirreführung“)- Ein Produkt wurde mit „TÃœV-geprüft“ beworben, obwohl keine vollständige Zertifizierung vorlag.
4. Folgen von wettbewerbswidriger Medizinproduktewerbunga) Abmahnungen durch Mitbewerber oder Verbraucherschutzverbände- Unterlassungserklärung oder Klage wegen unlauterer Werbung.
b) Gerichtliche Verfahren- Unterlassungsklage und ggf. Schadensersatzforderungen durch Wettbewerber.
c) Bußgelder und Strafen durch Behörden- Behördliche Untersagungsverfügungen durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).
- Bußgelder bis zu 50.000 EUR oder Vertriebsverbote.
5. Aufgaben eines Werberechtlers im Medizinproduktebereich- Prüfung von Werbemaßnahmen auf rechtliche Zulässigkeit
- Beratung zu zulässigen Werbestrategien unter Beachtung der MDR
- Abwehr oder Durchsetzung von Abmahnungen
- Vertretung in Gerichts- und Verwaltungsverfahren
MedizinproduktewerberechtDas Medizinproduktewerberecht ist hochreguliert und verlangt besondere Sorgfalt bei der Werbung. Verstöße können zu erheblichen rechtlichen und finanziellen Konsequenzen führen. Werberechtler unterstützen Unternehmen bei der Gestaltung rechtskonformer Werbemaßnahmen und der Abwehr unberechtigter Abmahnungen. |